Disruptive Innovation – ‘’Viele haben das Konzept falsch verstanden’’
„Disruptiv“ und „Innovation“ – die beiden Begriffe werden oft im gleichen Atemzug genannt, doch sie werden auch missverstanden und falsch verwendet. Harvard-Professor Clayton Christensen gilt als Erfinder der Theorie der disruptiven Innovation. Er zeigt sich erstaunt, dass seine Theorie auf alles Mögliche angewendet wird. Weder Uber, noch Tesla oder Airbnb zählt er zu den disruptiven Innovatoren.
Viele haben laut Christensen das Konzept nicht richtig verstanden. Dabei wäre gut, wenn es mehr disruptive Innovationen gäbe, denn das ist die einzige Innovation, die wirklich Wachstum bringt. Disruption beschreibt laut Christensen einen Prozess, bei dem ein kleines Unternehmen oft mit geringen Ressourcen ein erfolgreiches etabliertes Geschäft herausfordert.
Bestehende erfolgreiche Unternehmen konzentrieren sich häufig auf die Verbesserungen ihrer Produkte und Dienstleistungen für ihre Schlüsselkunden und vernachlässigen dabei andere Kundensegmente. Genau dort beginnen dann die disruptiven Unternehmen. Sie bieten einfachere Produkte oft zu einem geringeren Preis an. Weil sich die etablierten Firmen vorrangig mit der besseren Profitabilität in den lukrativen Segmenten beschäftigen, beobachten sie das gar nicht. Die disruptiven Unternehmen werden immer erfolgreicher, entwickeln sich und liefern das, was der Großteil der Kunden möchte. Diese nehmen nach und nach die neuen Angebote an und genau dann geschieht Disruption.
„Bei der Erschließung neuer Märkte schaffen Disruptoren einen Markt, den es vorher noch nicht gab. Einfach ausgedrückt, finden sie einen Weg, aus nicht-Verbrauchern Verbraucher zu machen.“
Es gibt aber auch disruptive Firmen, die komplett neue Märkte schaffen, die es so bisher nicht gab. Beispiel Computer. Zunächst waren die Zentralrechner so teuer, dass sie selbst für Forschungseinrichtungen nahezu unerschwinglich waren. Dann kam der PC auf, es folgte der Laptop und es entstand ein völlig neuer Markt. Der nächste Schritt war danach das Smartphone.
Oft wird in diesem Zusammenhang der disruptiven Unternehmen Uber und Airbnb genannt. Diese sind jedoch laut Christensen keine Vorzeigebeispiele. Uber hat die Art, wie Taxis arbeiten, verändert. Die Firma hat keine Autos und keine Fahrer und damit keine Fixkosten. Genauso wie Airbnb keine Hotels und kein Personal hat. Ihr Geschäftsmodell besteht darin, die vorhandenen Ressourcen anders zu nutzen. Aber das ist keine disruptive, sondern eine erhaltende oder inkrementelle Innovation.
„Das Geschäftsmodell von Uber und Airbnb ist keine disruptive, sondern inkrementelle Innovation.“
Christensen unterscheidet drei Arten von Innovation
- Die Effizienz-Innovation. Man verbessert zum Beispiel die Produktion oder den Vertrieb und erreicht damit mehr mit weniger Aufwand.
- Die erhaltende oder auch inkrementelle Innovation. Man hat ein gutes Produkt und macht es noch besser. Man produziert zum Beispiel ein besseres Auto. Das Problem ist, dass man damit nur das alte Produkt durch ein neues Produkt ersetzt. Das bringt aber kein Wachstum. Bei diesen beiden Innovationsformen sind die deutschen Unternehmen sehr gut.
- Dann gibt es die disruptive Innovation. Sie transformiert ein Produkt, das bisher sehr kompliziert und teuer war und macht es einfacher und billiger, so dass es sich mehr und neue Kunden leisten können. Nur diese Form von Innovation führt zu echtem Wachstum. In Deutschland sehe ich da aber bisher kaum etwas.
Alle drei Arten von Innovation sind laut Christensen wichtig und es muss eine Balance geben. Ein Problem ist aber, dass die Effizienz-Innovation die größte Rendite bringt. Das ist hart für die Unternehmen. Denn damit können sie nicht wachsen. Entrepreneurship ist daher ein Backup-Plan für Unternehmen, weil sie sich intern nicht erneuern können. Entrepreneurship bedeutet Versuch und Irrtum. Auch inkrementelle Innovationen sind wichtig, um den Markt am Laufen zu halten. Nur schaffen sie per Definition kein Wachstum.
Nicht jedes disruptive Unternehmen ist erfolgreich und nicht jeder Erfolg kommt von einem disruptiven Unternehmen. Der Erfolg von Uber basiert ebenso wie der von Apple auf einem Plattform-Modell. Uber verbindet Fahrer und Fahrgäste digital, das iPhone verbindet App-Entwickler mit Telefonnutzern. Doch nur Apple folgt einem disruptiven Weg, weil es ein Ökosystem von App-Entwicklern aufgebaut hat und das iPhone so zu einem Computer transformiert hat.
Für Christensen zählt auch Tesla nicht zu den disruptiven Unternehmen. Er meint, wenn ein Elektro-Auto 100.000 Dollar kostet, ist das Luxus und keine Disruption. Das ist eine erhaltende Innovation und die Anbieter konkurrieren dann vielleicht mit den Luxusautos von BMW. Die echte Disruption passiert in China. Dort ist bereits jedes zehnte Auto ein Elektroauto und das kostet nur 3000 Dollar. Das sind zwar nur kleine Autos, die sich aber viele leisten können. Das führt zu Wachstum.
„Wenn ein Elektro-Auto 100.000 Dollar kostet, ist das Luxus und keine Disruption.“
Ein anderes Beispiel von Christensen ist das Unternehmen Godrej in Indien, die unter anderem Kühlschränke herstellen. Das Unternehmen hat erkannt, dass sich viele Inder auch keinen billigen Kühlschrank leisten können und eine neue Technologie entwickelt, mit der man Lebensmittel kühl halten kann. Das Gerät wir für 49 Dollar angeboten. Die Nachfrage ist riesig und es wurden viele neue Arbeitsplätze geschaffen.
Christensen empfiehlt etablierten Firmen auf Disruption zu reagieren, wenn sie auftritt. Aber sie sollten nicht überreagieren, indem sie ihr profitables Geschäft aufgeben. Stattdessen sollten sie ihre Beziehungen zu ihren wichtigsten Kunden stärken und in erhaltende Innovationen investieren. Zudem können sie neue Geschäftseinheiten schaffen, die sich nur auf die Wachstumschancen von Disruption konzentrieren. Seine Forschung zeigt, dass der Erfolg dieser Einheiten aber stark davon abhängt, dass sie getrennt vom Kerngeschäft laufen. Denn sie brauchen eine völlig andere Organisations- und Kostenstruktur. Das bedeutet, dass Unternehmen für eine Zeit zwei verschiedene Organisationen managen müssen (Ambidextrie).
Wenn das disruptive Geschäft wächst, wird es vielleicht auch Kunden vom Kerngeschäft abwerben. Aber die Manager sollten nicht versuchen, dieses Problem zu lösen, bevor es ein Problem ist.
Über Clayton Christensen
Clayton Christensen (* 06. April 1952 in Salt Lake City, Utah; † 23. Januar 2020 in Boston, Massachusetts) war Professor of Business Administration an der Harvard Business School und gilt als weltweit führender Experte im Bereich Innovation und Wachstum. Er ist Autor vieler Bücher und einigen Hundert Artikeln. In seinem ersten Buch „The Innovator’s Dilemma“ (1997) beschäftigte er sich erstmals mit der Theorie der disruptiven Innovation. Er ist Gründer mehrerer Unternehmen, darunter die Beratung Innosight und die Investmentfirma Rose Park Advisors sowie The Christensen Institute, ein Non-Profit-Think-Tank, der sich mit disruptiver Innovation im Gesundheitsbereich und in der Bildung beschäftigt.
Den ganzen Fachartikel zu diesem Thema gibt es in der Harvard Business Review, Ausgabe Dezember 2015: Clayton M. Christensen: What Is Disruptive Innovation?
Bereits 20 Jahre früher beschrieb Clayton M. Christensen zusammen mit Joseph L. Bower das grundlegende Konzept in diesem Artikel: Disruptive Technologies: Catching the Wave (Harvard Business Review, Ausgabe Januar-Februar 1995).
Einen weiteren, sehr guten Artikel zu diesem Thema gibt es im hier Blog von Sortlist: Disruptive Innovation – aus der Nische zum Mainstream!
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