KI als vollwertiges Teammitglied
Mit KI werden Teams besser
Wer braucht noch ein ganzes Team, wenn man KI hat?
Klingt übertrieben?
Die neuesten Forschungsergebnisse eines Harvard-Feldexperiments bei Procter & Gamble zeigen, dass KI nicht nur als Werkzeug, sondern als vollwertiges “kybernetisches Teammitglied” fungieren kann, der Leistung steigert, Fachexpertise erweitert und sogar positive emotionale Reaktionen hervorruft. Einzelpersonen mit KI-Unterstützung liefern die gleiche Qualität wie Teams ohne KI – ein Befund, der Unternehmen zwingt, ihre Teamstrukturen und Zusammenarbeitsmodelle grundlegend zu überdenken.
Das kybernetische Teammitglied – mehr als nur ein digitales Werkzeug
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Die Zusammenarbeit in Teams bildet seit Jahrzehnten das Rückgrat moderner Unternehmensstrukturen. Wir setzen auf Teams, weil sie nachweislich bessere Ergebnisse erzielen als Einzelkämpfer, unterschiedliche Expertise zusammenbringen und soziale Interaktion fördern. Doch was passiert, wenn Generative KI ins Spiel kommt?
Ein bahnbrechendes Feldexperiment der Harvard Business School mit 776 Fachleuten bei Procter & Gamble liefert erstaunliche Antworten. Die Forschenden teilten die Teilnehmenden in vier Gruppen auf: Einzelpersonen ohne KI, Teams ohne KI, Einzelpersonen mit KI und Teams mit KI. Alle sollten echte Business-Cases lösen – von Produktideen bis zu Marktstrategien.
Die Ergebnisse sind nichts weniger als revolutionär – und für viele Führungskräfte vermutlich überraschend unbequem.
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Die drei Säulen der Teamarbeit unter dem Einfluss von Generativer KI
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1. Leistungssteigerung durch künstliche Intelligenz
Die Ergebnisse waren eindeutig:
Einzelpersonen ohne KI → schwächste Qualität
Teams ohne KI → besser, aber nicht top
Einzelpersonen mit GPT-4 → stärker als ganze Teams
Teams mit GPT-4 → beste Ergebnisse
In Zahlen ausgedrückt: Teams ohne KI zeigten eine Qualitätsverbesserung von 0,24 Standardabweichungen gegenüber Einzelpersonen. Doch Einzelpersonen mit KI-Unterstützung übertrafen diesen Wert mit einer Steigerung um 0,37 Standardabweichungen.
“Diese Ergebnisse zeigen, dass die KI-Einführung im Wissensarbeit-Bereich mehr als nur das Hinzufügen eines weiteren Werkzeugs umfasst. Durch Leistungssteigerung, Überbrückung von Fachkompetenz und Umgestaltung von Kollaborationsmustern fordert GenAI ein Umdenken darüber, wie Organisationen Teams und individuelle Rollen strukturieren”, schreiben die Autoren.
Noch beeindruckender: Teams mit KI-Unterstützung hatten dreimal höhere Chancen, Lösungen in der Spitzengruppe (obere 10%) zu platzieren. Gleichzeitig reduzierten sie die Bearbeitungszeit um beachtliche 16,4% bei Einzelpersonen und 12,7% bei Teams – bei gleichzeitiger Steigerung des Outputs.
Der kybernetische Teampartner bewirkt also nicht nur eine moderate Effizienzsteigerung, sondern eine fundamentale Neugestaltung der Leistungsgrenzen in Organisationen.
2. Expertise-Demokratisierung durch KI-Unterstützung
Das Spannende ist nicht nur die reine Leistung, sondern wie sich die Arbeit qualitativ verändert. Die zweite revolutionäre Erkenntnis betrifft die Überbrückung von Fachwissensgrenzen.
Ohne KI waren die funktionalen Unterschiede zwischen kommerziellen und technischen Mitarbeitern deutlich sichtbar: Vertriebsexperten entwickelten überwiegend marketingorientierte Lösungen, während F&E-Fachleute technisch fokussierte Ideen bevorzugten.
Mit KI-Unterstützung verschwand diese Grenze nahezu vollständig. Die KI ermöglichte es beiden Gruppen, ausgewogenere Lösungen zu entwickeln, die sowohl kommerzielle als auch technische Aspekte berücksichtigten – ein Effekt, der normalerweise nur durch die Zusammenarbeit beider Expertengruppen erreicht wird.
Besonders profitieren konnten Mitarbeiter, für die Produktentwicklung keine Kernaufgabe ist. Während sie ohne KI deutlich schlechter abschnitten, erreichten sie mit KI-Unterstützung ein Niveau, das mit dem von Expertenteams vergleichbar war. Selbst Menschen ohne Vorerfahrung konnten dank GPT-4 auf Experten-Niveau mitarbeiten.
“Die KI überwindet funktionale Silos. Ohne KI neigten F&E-Fachleute dazu, mehr technische Lösungen vorzuschlagen, während kommerzielle Fachleute eher kommerziell orientierte Vorschläge machten. Fachleute, die KI einsetzen, produzierten ausgewogene Lösungen, unabhängig von ihrem beruflichen Hintergrund”, so die Forscher.
Der kybernetische Teampartner fungiert somit als Brückenbauer zwischen traditionell getrennten Wissensbereichen und ermöglicht eine neue Form der interdisziplinären Zusammenarbeit – selbst wenn nur eine Person an einem Problem arbeitet.
3. Positive emotionale Reaktionen statt Technologie-Frust
Die dritte und vielleicht überraschendste Entdeckung betrifft den emotionalen Aspekt der KI-Nutzung. Entgegen der verbreiteten Befürchtung, dass Technologie die soziale Komponente der Arbeit beeinträchtigt, berichteten KI-Nutzer von deutlich positiveren emotionalen Erfahrungen.
Teilnehmer mit KI-Unterstützung zeigten eine um 0,457 Standardabweichungen höhere positive emotionale Reaktion (Begeisterung, Energie, Enthusiasmus), während Teams mit KI sogar einen Anstieg um 0,635 Standardabweichungen verzeichneten. Gleichzeitig reduzierten sich negative Emotionen wie Angst und Frustration um etwa 0,23 Standardabweichungen.
Faszinierend ist, dass Einzelpersonen mit KI ähnlich positive emotionale Reaktionen zeigten wie Teammitglieder ohne KI – ein weiterer Hinweis darauf, dass KI tatsächlich einige der emotionalen Vorteile der Teamarbeit simulieren kann.
Diese Erkenntnis steht im direkten Gegensatz zu früheren Technologiewellen, die oft als emotionale Belastung empfunden wurden. Der kybernetische Teampartner scheint durch seine sprachbasierte, dialogorientierte Schnittstelle ein Gefühl der Zusammenarbeit zu erzeugen, das menschlicher Interaktion ähnelt.
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Die Implikationen für Unternehmensführung und Organisationsdesign
Die Ergebnisse dieser Studie sind für Führungskräfte geradezu revolutionär. Sie fordern uns auf, grundlegende Annahmen über Teamstrukturen und Organisationsdesign zu überdenken.
Neugestaltung von Teamgrößen und -zusammensetzungen
Wenn Einzelpersonen mit KI-Unterstützung ähnliche Leistungen erbringen können wie traditionelle Teams, stellt sich die Frage: Wie sollten wir unsere Teams künftig konfigurieren? Brauchen wir überhaupt noch die klassische funktionsübergreifende Zusammensetzung?
“Organisationen müssen möglicherweise optimale Teamgrößen und -zusammensetzungen grundlegend überdenken. Die Tatsache, dass KI-unterstützte Einzelpersonen auf einem Niveau arbeiten können, das mit traditionellen Teams vergleichbar ist, deutet auf Möglichkeiten für flexiblere und effizientere Organisationsstrukturen hin”, schreiben die Forscher.
Ein wichtiger Aspekt bleibt jedoch: Teams mit KI erzeugten mit höherer Wahrscheinlichkeit Spitzenlösungen, was auf eine einzigartige Synergie zwischen menschlicher Zusammenarbeit und KI-Unterstützung hindeutet. Unternehmen müssen also abwägen, ob sie Effizienz (durch weniger, aber KI-unterstützte Mitarbeiter) oder Spitzenleistungen (durch KI-unterstützte Teams) priorisieren wollen.
Der kybernetische Teampartner könnte so zu völlig neuen Organisationsformen führen, bei denen kleine, hochspezialisierte Teams durch KI-Unterstützung befähigt werden, Aufgaben zu bewältigen, die bisher größere, diversifizierte Teams erforderten.
Die veränderte Rolle von Expertise und Weiterbildung
Die Fähigkeit der KI, funktionale Grenzen zu überwinden, wirft Fragen zur zukünftigen Entwicklung und Anwendung von Fachwissen auf. Wenn die KI Mitarbeitern helfen kann, außerhalb ihrer Kernkompetenzen zu arbeiten – werden spezialisierte Funktionen dann weniger wichtig?
Die Studie zeigt deutlich: Wenn KI wirklich Teil der Zusammenarbeit wird, verändert sich nicht nur die Art, wie wir arbeiten – sondern auch, wer mitarbeiten kann. Teams funktionieren weniger über Hierarchien, sondern mehr über kollektive Intelligenz. Karrierewege werden sich vielleicht verschieben, weil der Zugang zu Wissen durch KI wichtiger wird als jahrelange Erfahrung.
Die Forscher schlagen vor, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter schulen sollten, funktionsübergreifender zu denken und ihre KI-Interaktionsfähigkeiten zu verbessern. Dies könnte die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit fördern, bei denen Menschen und KI gemeinsam komplexe Probleme lösen.
“Angesichts der Fähigkeit der KI, Silos abzubauen, ist es auch wertvoll, Mitarbeiter darin zu schulen, funktionsübergreifend zu denken”, empfehlen die Autoren.
In einer Welt des kybernetischen Teampartners wird die Fähigkeit, mit KI zu interagieren, zu einer Kernkompetenz für alle Mitarbeiter – ähnlich wie vor Jahrzehnten die Fähigkeit, mit Computern zu arbeiten.
Der Weg zur kybernetischen Teamarbeit
Die Studie zeigt, dass KI nicht nur als passives Werkzeug fungiert, sondern als “kybernetischer Teampartner”. Dieser Begriff, der auf Norbert Wieners Arbeit zur Kybernetik zurückgeht, beschreibt Systeme, die ihr Verhalten durch Feedback dynamisch anpassen – genau wie menschliche Teammitglieder.
“Durch die dynamische Interaktion mit menschlichen Problemlösern – die Bereitstellung von Echtzeit-Feedback, die Überbrückung funktionsübergreifender Expertise und die Beeinflussung selbstberichteter emotionaler Zustände – zeigt GenKI ihre Fähigkeit, Rollen zu übernehmen, die wir typischerweise mit menschlichen Mitarbeitern assoziieren”, erklären die Forscher.
Während KI nicht den gesamten Reichtum menschlicher sozialer und emotionaler Interaktion replizieren kann, deutet ihre Fähigkeit, als echter Mitarbeiter beizutragen, auf eine deutliche Verschiebung hin, wie Wissensarbeit strukturiert und durchgeführt werden kann.
Kybernetische Teamarbeit erfordert ein völlig neues Denken über die Grenzen zwischen Mensch und Maschine in Organisationen – weg von der traditionellen Mensch-Werkzeug-Beziehung, hin zu einer echten Partnerschaft.
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Praktische Anwendung für Unternehmen
Die Ergebnisse des Harvard-Experiments haben direkte Implikationen für Unternehmen, besonders im Mittelstand und in technologieorientierten Branchen.
Effizientere Produktentwicklung durch KI-Unterstützung
Die Beschleunigung und Verbesserung von Produktentwicklungsprozessen könnte gerade für den deutschen Mittelstand ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Die Studie zeigte, dass KI-unterstützte Teams in kürzerer Zeit umfassendere und qualitativ hochwertigere Lösungen entwickelten.
Bei P&G wurde die Bearbeitungszeit um bis zu 16,4% reduziert, während gleichzeitig der Output (gemessen an der Textlänge) deutlich stieg. Für deutsche Unternehmen, die oft unter Fachkräftemangel leiden, könnte die KI-Unterstützung bedeuten, dass weniger Mitarbeiter mehr erreichen können – ohne Qualitätseinbußen.
Der kybernetische Teampartner könnte gerade für mittelständische Unternehmen mit begrenzten Ressourcen einen Weg bieten, mit größeren Wettbewerbern mitzuhalten, indem kleinere Teams mit KI-Unterstützung ähnliche Leistungen erbringen wie größere Teams ohne KI.
Überwindung von Abteilungsgrenzen durch KI
Ein klassisches Problem in deutschen Unternehmen ist die starke Funktionsorientierung und die damit verbundene “Silobildung”. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass KI helfen kann, diese Barrieren zu überwinden, indem sie Mitarbeitern ermöglicht, über ihren funktionalen Bereich hinaus zu denken und zu arbeiten.
Für Vertriebsleiter bedeutet dies eine Chance, technisches Verständnis zu integrieren, während technische Experten kommerzielle Aspekte besser berücksichtigen können. Diese verbesserte Integration könnte zu ganzheitlicheren Lösungen und einer effektiveren funktionsübergreifenden Zusammenarbeit führen.
Praxisbeispiel: KI in der Angebotserstellung
Ein konkretes Anwendungsbeispiel für deutsche B2B-Unternehmen ist die Angebotserstellung. Traditionell erfordert dies die Zusammenarbeit zwischen Vertrieb, Technik und oft auch Finanzen. Mit KI-Unterstützung könnte ein Vertriebsmitarbeiter ein technisch fundiertes und kommerziell ausgewogenes Angebot erstellen, ohne ständig Rücksprache mit anderen Abteilungen halten zu müssen.
Dies würde nicht nur den Prozess beschleunigen, sondern auch die Qualität der Angebote verbessern, da die KI verschiedene Perspektiven integrieren kann. Der Vertriebsmitarbeiter kann dabei seine Domänenexpertise einbringen, während die KI hilft, technische und kommerzielle Aspekte zu balancieren.
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Die Grenzen der aktuellen Forschung
Bei aller Euphorie über die Ergebnisse sollten wir auch die Grenzen der Studie berücksichtigen.
Kurzfristigkeit der Beobachtung
Das Experiment basierte auf eintägigen virtuellen Workshops und spiegelt möglicherweise nicht die komplexen, langfristigen Teamdynamiken wider, die in Organisationen entstehen. Wie sich KI-unterstützte Zusammenarbeit über Monate oder Jahre entwickelt, bleibt zu erforschen.
“Obwohl wir der Frühphasen-Produktentwicklungsroutine des Unternehmens folgten, stützten sich unsere Experimente auf eintägige virtuelle Zusammenarbeit, die nicht vollständig die alltäglichen Komplexitäten der Teaminteraktionen in Organisationen erfassten”, geben die Forscher zu bedenken.
Der kybernetische Teampartner könnte in längerfristigen Projekten möglicherweise andere Effekte zeigen – sowohl positive als auch negative – die in dieser Kurzzeitbeobachtung nicht erfasst wurden.
Spezifische Teamkonstellation
Die Studie konzentrierte sich auf funktionsübergreifende Zweierteams (Commercial + F&E). In der Praxis arbeiten oft größere und komplexere Teams zusammen, die andere Dynamiken aufweisen könnten.
“Wir konzentrierten uns auf funktionsübergreifende Paare menschlicher Mitarbeiter, während Zusammenarbeit mit Teammitgliedern mit ähnlichem Fachwissen oder in größeren, komplexeren Teamstrukturen andere Muster der KI-Annahme und -Effektivität aufweisen könnten”, so die Forscher.
Die Skalierbarkeit des kybernetischen Teampartner-Konzepts auf größere Teamkonstellationen bleibt daher eine offene Frage für zukünftige Forschung.
Begrenzte KI-Erfahrung der Teilnehmer
Die Teilnehmer des Experiments hatten relativ wenig Erfahrung mit KI-Prompting-Techniken. Die beobachteten Vorteile könnten daher eine Untergrenze darstellen – mit zunehmender Erfahrung könnten die Vorteile noch größer werden.
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Zukunftsperspektiven für KI-gestützte Teamarbeit
Wohin führt die Reise? Die Forscher skizzieren mehrere vielversprechende Zukunftsperspektiven für die weitere Forschung und Anwendung.
Evolution der KI-Nutzungskompetenzen
Eine zentrale Frage ist, wie sich die Vorteile der KI-Integration entwickeln, wenn Nutzer immer versierter im Umgang mit KI werden. Die Teilnehmer des Experiments hatten relativ wenig Erfahrung – das Verständnis der Lernkurve und möglicher Deckeneffekte wird entscheidend sein.
Der kybernetische Teampartner könnte mit zunehmender Erfahrung der Nutzer völlig neue Interaktionsmuster entwickeln, die über die in der Studie beobachteten Effekte hinausgehen.
Entwicklung kollaborativer KI-Systeme
Die im Experiment verwendeten KI-Tools waren nicht speziell für kollaborative Arbeitsumgebungen optimiert. Speziell entwickelte kollaborative KI-Systeme könnten möglicherweise noch größere Vorteile erschließen, indem sie Gruppendynamiken und kollektive Problemlösungsprozesse besser unterstützen.
“Die KI-Tools, die verwendet wurden, waren nicht für kollaborative Arbeitsumgebungen optimiert. Speziell entwickelte kollaborative KI-Systeme könnten möglicherweise deutlich größere Vorteile erschließen, indem sie Gruppendynamiken und kollektive Problemlösungsprozesse besser unterstützen”, spekulieren die Autoren.
Die nächste Generation des kybernetischen Teampartners könnte speziell für die Unterstützung von Gruppenarbeit konzipiert sein, mit Funktionen, die auf die Förderung von Kreativität, Wissensaustausch und Entscheidungsfindung in Teams ausgerichtet sind.
Langzeitauswirkungen auf Expertiseentwicklung
Eine offene Frage ist, wie sich die KI-Integration auf die Entwicklung von Domänenexpertise im Laufe der Zeit auswirkt. Führt die KI-unterstützte Grenzüberschreitung zu echter Expertiseentwicklung, oder erleichtert sie hauptsächlich den Zugang zu bestehendem Wissen?
“Wie wirkt sich die KI-Integration auf die Entwicklung von Domänenexpertise im Laufe der Zeit aus? Führt die KI-unterstützte Grenzüberschreitung zu echter Expertiseentwicklung, oder erleichtert sie hauptsächlich den Zugang zu bestehendem Wissen?”, fragen die Forscher.
Der kybernetische Teampartner könnte entweder als Lernbeschleuniger dienen, der Menschen hilft, schneller neue Fähigkeiten zu entwickeln, oder als Ersatz für bestimmte Formen von Expertise fungieren – mit weitreichenden Konsequenzen für organisationales Lernen und Wissensmanagement.
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Das neue Paradigma der Zusammenarbeit
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Zukunft der Arbeit? Die Studie markiert einen Paradigmenwechsel im Denken über KI in Organisationen. Statt KI als bloßen Produktivitätsenhancer zu betrachten, sollten wir sie als aktiven Teilnehmer in kollaborativen Netzwerken verstehen.
Natürlich darf man daraus keinen reinen Hype machen. Die Integration von KI in echte Zusammenarbeit braucht Zeit – Rollen, Prozesse und Kultur ändern sich nicht über Nacht, und nicht in allen Bereichen wird die Zusammenarbeit mit generativer KI solche Unterschiede machen. Aber die Modelle werden tendenziell besser. Und was wir hier sehen, ist nicht das Ziel – sondern vielleicht nur der Startpunkt.
Wie der Nobelpreisträger Herbert Simon schon 1965 voraussagte: “Maschinen werden in naher Zukunft fähig sein, jede Arbeit zu verrichten, die ein Mensch verrichten kann.” Die Herausforderung liegt nicht mehr in der Frage, ob KI bestimmte Aufgaben übernehmen kann, sondern wie wir die Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI so gestalten, dass wir die einzigartigen Stärken beider Seiten optimal nutzen.
Der “kybernetische Teampartner” ist keine Science-Fiction mehr – er ist bereits Realität in führenden Unternehmen und wird die Art und Weise, wie wir Teams bilden, Expertise entwickeln und zusammenarbeiten, grundlegend verändern.
“Diese Ergebnisse stellen die Vorstellung von KI als bloßer erweiterter Suchmaschine oder praktischem Textgenerator in Frage und unterstreichen stattdessen ihre Rolle als aktiver Teilnehmer in kollaborativen Netzwerken. Indem sie zu Entscheidungsfindung, Kreativität und sogar emotionalen Reaktionen beiträgt, gestaltet KI die Bedingungen neu, unter denen Teams entstehen und funktionieren”, resümieren die Forscher.
Für Führungskräfte bedeutet dies, dass sie nicht nur über den Einsatz von KI-Tools nachdenken sollten, sondern über eine fundamentale Neugestaltung ihrer Organisationsstrukturen und Arbeitsweisen. Wer diesen Wandel aktiv gestaltet, wird einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil haben.
DETAILS ZUR HARVARD-STUDIE
Studiendaten auf einen Blick:
- Durchführung: Harvard Business School in Kooperation mit The Wharton School
- Zeitraum: Mai bis Juli 2024
- Teilnehmer: 776 Fachleute bei Procter & Gamble
- Methodik: Randomisiertes Feldexperiment mit 2×2-Design
- KI-System: GPT-4 (vereinzelt GPT-4o), zugänglich über Microsoft Azure
Experimentelles Setup:
- Vier Testgruppen:
- Einzelpersonen ohne KI
- Teams (R&D + Commercial) ohne KI
- Einzelpersonen mit KI
- Teams (R&D + Commercial) mit KI
- Aufgabenstellung: Entwicklung realer Lösungen für Business-Challenges in den Bereichen Baby Care, Feminine Care, Grooming und Oral Care
- Durchführung: Eintägige virtuelle Produktentwicklungsworkshops
Bewertungskriterien:
- Lösungsqualität (1-10 Skala, durch unabhängige Experten bewertet)
- Bearbeitungszeit
- Fachliche Ausgewogenheit der Lösungen
- Emotionale Reaktionen der Teilnehmer
Zentrale Ergebnisse:
- KI-unterstützte Einzelpersonen: +0,37 Standardabweichungen in der Qualität
- Teams ohne KI: +0,24 Standardabweichungen
- Teams mit KI: +0,39 Standardabweichungen
- Zeitersparnis mit KI: 16,4% bei Einzelpersonen, 12,7% bei Teams
- KI-Teams hatten dreimal höhere Chancen, Lösungen in der Top-10% zu platzieren
Besonderheiten:
- Teilnehmer waren KI-Neulinge mit minimaler Vorerfahrung
- KI-Tools waren nicht speziell für kollaborative Arbeit optimiert
- Funktionsübergreifende Kollaboration spiegelt reale Arbeitsabläufe bei P&G wider
Forschungsteam:
Fabrizio Dell’Acqua, Charles Ayoubi, Hila Lifshitz, Raffaella Sadun, Ethan Mollick, Lilach Mollick, Yi Han, Jeff Goldman, Hari Nair, Stew Taub und Karim R. Lakhani
Veröffentlichung: Harvard Business School Working Paper 25-043 (März 2025)
Quelle
The Cybernetic Teammate: A Field Experiment on Generative AI Reshaping Teamwork and Expertise – 56 Pages, Posted: 21 Mar 2025
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