Psychologische Taktiken im B2B-Vertrieb: Wie kognitive Verzerrungen Ihre Strategie beeinflussen können



Im B2B-Vertrieb geht es nicht nur um Zahlen und Fakten. Die menschliche Psychologie spielt eine entscheidende Rolle in der Entscheidungsfindung. Verständnis und strategischer Einsatz psychologischer Prinzipien können den Unterschied zwischen einem erfolgreichen Abschluss und einem gescheiterten Geschäft ausmachen. Die Forschungen von Daniel Kahneman und Amos Tversky bieten wertvolle Einsichten in die psychologischen Mechanismen, die hinter geschäftlichen Entscheidungen stehen.

Psychologische Taktiken im B2B-Vertrieb

Tiefe psychologische Einsichten: Die Arbeit von Kahneman und Tversky

Prospect Theory: Gewinn und Verlust verstehen

Daniel Kahneman und Amos Tversky haben die Prospect Theory entwickelt, um zu erklären, wie Menschen risikobehaftete Entscheidungen treffen. Im Zentrum ihrer Theorie steht die Erkenntnis, dass Menschen Verluste stärker gewichten als gleich große Gewinne. Diese Verlustaversion kann im B2B-Vertrieb genutzt werden, um Kunden von einem Produkt oder einer Dienstleistung zu überzeugen, indem mögliche Verluste bei Nichtkauf aufgezeigt werden.

Heuristiken: Wie sie unsere Entscheidungen beeinflussen

Kahneman und Tversky haben auch gezeigt, wie stark Heuristiken – mentale Abkürzungen, mit denen wir komplexe Entscheidungsprozesse vereinfachen – unsere Urteile beeinflussen können. Diese Heuristiken, darunter die Verfügbarkeitsheuristik und die Verankerungsheuristik, können im B2B-Vertrieb sowohl ein Risiko als auch eine Chance darstellen.

Verfügbarkeitsheuristik

Diese Heuristik führt dazu, dass Menschen die Häufigkeit oder Wahrscheinlichkeit von Ereignissen danach beurteilen, wie leicht ihnen Beispiele dafür in den Sinn kommen. Vertriebsmitarbeiter können dies nutzen, indem sie sicherstellen, dass positive Ergebnisse und Erfahrungen mit ihren Produkten leicht zugänglich und präsent sind, um die Entscheidungen von Kunden zu beeinflussen.

Anker-Heuristik

Die erste Information, die wir in einem Verhandlungskontext erhalten, dient oft als Anker für alle weiteren Überlegungen und Bewertungen. Ein geschickter Vertriebsmitarbeiter wird diesen Anker bewusst hoch setzen, um den Preisverhandlungsprozess zu seinen Gunsten zu steuern.

Anwendung dieser Erkenntnisse im B2B-Vertrieb

Strategien zur Überwindung von Verlustaversion

Eine der effektivsten Techniken im B2B-Vertrieb ist die Betonung der negativen Konsequenzen, die ein Nichtkauf nach sich zieht. Durch die Betonung der potenziellen Verluste, die ein Kunde erleiden könnte, wird die natürliche Tendenz zur Verlustaversion ausgenutzt. Diese Technik kann besonders effektiv sein, um zögernde Kunden zu überzeugen.

Anwendung der Anker-Heuristik bei Preisverhandlungen

Durch die Nennung eines hohen Einstiegspreises setzen Sie einen psychologischen Anker, der die gesamte weitere Preisdiskussion beeinflussen kann. Dieser Anker beeinflusst nicht nur die Wahrnehmung des Wertes Ihres Angebots, sondern kann auch dazu führen, dass die abschließenden Verhandlungen näher an Ihren Zielabschluss herankommen.

Einsatz von Framing-Techniken

Die Art und Weise, wie Sie Informationen präsentieren, beeinflusst, wie diese Informationen verarbeitet und bewertet werden. Durch geschicktes Framing können Sie steuern, wie Ihre Kunden Ihr Angebot wahrnehmen. Ein positives Framing kann die Vorteile Ihres Produkts hervorheben, während ein negatives Framing die Risiken und Kosten eines Nichtkaufs betont.

Schlussfolgerungen und praktische Anwendung

Die Erkenntnisse von Kahneman und Tversky können Sie nutzen, um Ihre Verkaufsstrategien zu schärfen und die psychologischen Neigungen Ihrer Kunden effektiver zu nutzen. Durch das Verstehen und Anwenden dieser psychologischen Prinzipien können Sie nicht nur Ihre Verkaufszahlen verbessern, sondern auch stärkere und nachhaltigere Kundenbeziehungen aufbauen.

„Der erste Eindruck täuscht oft. Was zählt, sind nicht die Daten, die man zu Beginn hat, sondern die Daten, die man nicht ignoriert.“
Amos Tversky


Praktische Anwendung der Prospect-Theorie im B2B-Vertrieb

Verlustaversion gezielt einsetzen

  • Taktik: Betonen Sie in Ihren Verkaufsgesprächen die möglichen Risiken und Verluste, die ein Kunde erleidet, wenn er Ihr Angebot nicht annimmt. Sie können z.B. aufzeigen, wie eine Nichtinvestition in Ihre Lösung zu höheren Betriebskosten, Produktionsausfällen oder verpassten Marktchancen führen kann.
  • Beispiel: Ein Softwareanbieter könnte einen potenziellen Kunden darauf hinweisen, dass die Beibehaltung seiner aktuellen, veralteten IT-Infrastruktur ihn anfällig für Cyber-Angriffe macht, was langfristig viel teurer werden könnte als die Investition in eine neue, sicherere Lösung.

„Menschen sind keine logischen Maschinen. Ihre Entscheidungen sind das Produkt von Geschichte, Kultur und persönlichen Erfahrungen.“

Daniel Kahneman


Heuristiken effektiv im Vertrieb einsetzen

Verfügbarkeitsheuristik

  • Taktik: Nutzen Sie leicht zugängliche und positive Referenzen, um die Entscheidungsfindung Ihrer Kunden zu beeinflussen. Dies können Testimonials, Fallstudien oder Erfolgsgeschichten sein, die zeigen, wie Ihr Produkt in der Vergangenheit ähnliche Probleme erfolgreich gelöst hat.
  • Beispiel Wenn Sie ein Produkt für das Supply Chain Management verkaufen, können Sie eine erfolgreiche Fallstudie hervorheben, in der ein Kunde seine Lieferzeiten durch Ihre Lösung um 20% reduziert hat. Dies sollte in Ihren Präsentationsmaterialien und Gesprächen prominent platziert werden.

Anker-Heuristik in Preisverhandlungen

  • Taktik: Starten Sie Preisverhandlungen mit einem strategisch gesetzten Anker. Ein höherer Einstiegspreis kann die Verhandlungen so beeinflussen, dass selbst ein reduzierter Endpreis noch über dem liegt, was der Kunde ursprünglich bereit war zu zahlen.
  • Ein Beispiel: Wenn Ihr Produkt normalerweise für 100.000 € verkauft wird, könnten Sie die Verhandlungen bei 120.000 € beginnen. Dies kann dazu führen, dass der Kunde das Angebot als hochwertiger und exklusiver wahrnimmt und bereit ist, einen höheren Preis zu akzeptieren.


Entscheidungsarchitektur und Kundenmanagement

Gestaltung der Entscheidungsarchitektur

  • Taktik: Vereinfachen Sie den Entscheidungsprozess für Ihre Kunden, indem Sie ihnen klare und einfach zu bewertende Optionen anbieten. Zu viele Wahlmöglichkeiten können überfordern und zu einer Entscheidungsmüdigkeit führen, die in einer Ablehnung Ihres Angebots münden kann.
  • Beispiel: Anstatt Ihrem Kunden fünf verschiedene Produktpakete mit unterschiedlichen Funktionen anzubieten, konzentrieren Sie sich auf zwei Hauptoptionen: eine Basis- und eine Premiumversion. Dies reduziert die kognitive Belastung und erleichtert die Entscheidungsfindung.

Framing von Angeboten

  • Taktik: Nutzen Sie Framing-Techniken, um die Wahrnehmung Ihres Angebots zu steuern. Stellen Sie die Vorteile Ihres Produkts positiv dar und die Alternativen als riskant.
  • Beispiel: Wenn Sie ein hochpreisiges Produkt verkaufen, könnten Sie es als „Premiumlösung mit erstklassigem Support und maximaler Sicherheit“ darstellen, während Sie alternative, billigere Lösungen als „möglicherweise mit geringerer langfristiger Zuverlässigkeit und höherem Risiko“ darstellen.


Umgang mit Entscheidungsmüdigkeit

Hilfe bei komplexen Entscheidungen

  • Taktik: Unterstützen Sie Ihre Kunden durch klare, strukturierte Informationen und bieten Sie Unterstützung bei der Entscheidungsfindung an. Damit minimieren Sie das Risiko, dass Kunden aufgrund von Überforderung auf vertraute, aber suboptimale Lösungen zurückgreifen.
  • Beispiel: Bei der Einführung eines neuen Produkts können Sie Ihren Kunden eine detaillierte, aber leicht verständliche Implementierungs-Roadmap anbieten, die alle Schritte der Integration erklärt und so Unsicherheiten und Bedenken abbaut.

Zusammenfassung der Praxistipps

  1. Verluste betonen: Nutzen Sie die Verlustaversion, indem Sie die Konsequenzen eines Nichtkaufs hervorheben.
  2. Setzen Sie gezielt positive Referenzen ein: Machen Sie Erfolge und Vorteile Ihrer Lösung für den Kunden leicht zugänglich.
  3. Verhandeln Sie strategisch: Beginnen Sie Preisverhandlungen mit einem hohen Anker, um die Verhandlungen zu Ihren Gunsten zu beeinflussen.
  4. Vereinfachen Sie die Optionen: Reduzieren Sie die Anzahl der Optionen, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern.
  5. Stellen Sie Ihr Angebot positiv dar: Nutzen Sie Framing-Techniken, um die Vorteile Ihres Produkts hervorzuheben.
  6. Unterstützen Sie den Entscheidungsprozess: Bieten Sie klare, strukturierte Unterstützung an, um Entscheidungsmüdigkeit zu vermeiden.


Kurzbiographien: Daniel Kahneman und Amos Tversky

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Daniel Kahneman

Daniel Kahneman wurde am 5. März 1934 in Tel Aviv geboren, das damals zum britischen Mandatsgebiet Palästina gehörte. Er wuchs in Frankreich auf, wo er den Zweiten Weltkrieg überlebte, bevor er nach Israel zurückkehrte. Kahneman machte seinen Bachelor in Psychologie und Mathematik an der Hebräischen Universität Jerusalem und promovierte später in Psychologie an der University of California, Berkeley.
Im Laufe seiner Karriere lehrte Kahneman an renommierten Universitäten wie der Princeton University und der University of British Columbia. Seine Arbeiten konzentrierten sich vor allem auf die Psychologie des Urteilens und Entscheidens sowie auf die Verhaltensökonomie. Zusammen mit Amos Tversky entwickelte er die bahnbrechende Prospect Theory, die traditionelle Annahmen über rationales Entscheidungsverhalten in Frage stellte. Für seine herausragenden Beiträge erhielt Kahneman 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Sein 2011 erschienenes Buch „Fast Thinking, Slow Thinking“ wurde zum internationalen Bestseller und prägt bis heute das Verständnis von menschlicher Kognition und Entscheidungsfindung.

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Amos Tversky

Amos Tversky wurde am 16. März 1937 im israelischen Haifa geboren. Er diente als Fallschirmjäger in der israelischen Armee und zeigte schon früh außergewöhnliche Führungsqualitäten und intellektuelle Neugier. Tversky erwarb einen Bachelor-Abschluss an der Hebräischen Universität Jerusalem und promovierte in Psychologie an der University of Michigan.
Tversky war Professor an Institutionen wie der Stanford University und galt als brillanter Denker mit einem einzigartigen analytischen Verstand. Seine Zusammenarbeit mit Daniel Kahneman führte zu einigen der einflussreichsten Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der kognitiven Psychologie und der Verhaltensökonomie. Gemeinsam untersuchten sie systematische Fehler und Verzerrungen im menschlichen Denken und entwickelten Konzepte wie die Prospect Theory und verschiedene Heuristiken, die erklären, wie Menschen Entscheidungen unter Unsicherheit treffen. Amos Tversky starb am 2. Juni 1996, aber sein Vermächtnis lebt durch seine bedeutenden Beiträge zur Wissenschaft und ihre Anwendungen in einer Vielzahl von Disziplinen weiter.

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Die Zusammenarbeit und ihr Einfluss

Die Partnerschaft zwischen Kahneman und Tversky begann Ende der 1960er Jahre und dauerte mehr als zwei Jahrzehnte. Ihre gemeinsamen Forschungsarbeiten revolutionierten das Verständnis von Entscheidungsprozessen und legten den Grundstein für die Verhaltensökonomie. Sie zeigten, dass menschliche Entscheidungen oft von systematischen Verzerrungen und Heuristiken beeinflusst werden und nicht rein rational sind. Ihre Arbeiten haben weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaftswissenschaften, die Medizin, die Politik und viele andere Bereiche und liefern wertvolle Erkenntnisse, die auch im modernen B2B-Vertrieb angewendet werden können, um Entscheidungsprozesse besser zu verstehen und zu beeinflussen.

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