Gastbeitrag XING »Klartext«

Von Ralf H. KOMOR

Interim Management

Interim Manager ist kein „Trendberuf“.

Die Präsenz in den Medien liegt daran, dass sich der Führungskräftemangel in den Unternehmen immer deutlicher abzeichnet. Wegen der guten Konjunktur im DACH-Raum gibt es eine immer höhere Fluktuation auf Direktorenebene und parallel dazu eine immer kürzere Verweildauer der Geschäftsführer und Vorstände, die momentan nur noch 5,1 Jahre beträgt. Das befeuert die Nachfrage nach temporärer Unterstützung auf Führungsebene, da aktuell viele Vakanzen zu überbrücken sind. Interim Management ist für Unternehmen fast jeder Größe ein sehr gutes Tool, um in kurzer Zeit fachlich sauber abgeschlossene Projekte zu bekommen – und das zu vorher klar kalkulierbaren und transparenten Kosten. Interim Manager sind keine Berater, sie sind durchsetzungsstarke, souveräne Menschen. Oft passen sie Ideen aus Beratungsprojekten an die Firmenkultur an und setzen sie dann auch maßgeschneidert konsequent mit den Menschen vor Ort um. Sie liefern Ergebnisse.

Warum bin ich Interim Manager geworden und wie kommt man an ad-interim-Mandate?

Die gemachte Erfahrung aus Firmenverkäufen, Unternehmenszusammenschlüssen und Change Prozessen, dass man bei der Besetzung von Führungspositionen nicht immer nach Eignung, sondern nach Lagerzugehörigkeit entscheidet, hat mich für die Selbstständigkeit geöffnet. Ganz klar: ich brenne für Erfolg und aus Leidenschaft; ich hatte keine Lust mehr auf Konzernkarriere oder Mißgunst. 2014 wurde ich dann von einem Interim Management Provider auf ein passendes Mandat angesprochen. Der Auftraggeber fand die Präsentation gut, hat sich noch am selben Tag für mich entschieden und in der darauffolgenden Woche ging es auch schon los.

Wenn ich für ein neues Mandat angefragt werde, sei es über einen Interim-Provider, über XING und LinkedIn oder über mein persönliches Netzwerk, gilt es zuallererst zu klären, mit welcher Intention mich das Unternehmen als Manager ad interim an Bord holen möchte. Es ist wichtig die Erwartungshaltung des Auftraggebers zu kennen, um alle Schritte in die richtige Richtung zu lenken. Äußerst wichtig für beide Seiten ist auch der „cultural fit“: hat der Interim Manager den richtigen Stallgeruch, passt er zur Firmenkultur, wird er bei den Mitarbeitenden ankommen? Ich fasse die Informationen aus den Gesprächen in einer Präsentation zusammen, die das gemeinsame Projektverständnis beschreibt und Basis für die erfolgreiche Zusammenarbeit in den kommenden Monaten ist. Diese Roadmap muss vorher klar besprochen sein.

Was hält Interim Management für erfahrene Führungskräfte bereit?

Flexibilität: man ist als selbstständiger Manager tätig, nicht an ein bestimmtes Unternehmen gebunden und kann nach Projektende frei wählen, ob man gleich weiter macht oder sich eine gewisse Auszeit nimmt. Die Jobs im Interim Management dauern meist nur wenige Monate. Wann man das nächste Mandat übernimmt, hängt vom persönlichen Netzwerk und den individuellen Vorstellungen ab. Ebenso ist es eventuell auch möglich nur drei oder vier Tage pro Woche zu arbeiten und die restliche Zeit für private Zwecke oder zur Weiterbildung zu verwenden. Ich entscheide selbst, wie viel ich arbeiten möchte. Interim Manager ist der richtige Beruf für alle, die undogmatisch an stets wechselnde Aufgaben herangehen wollen und über einen starken Leistungsausweis in Ihrer Fachdisziplin verfügen.

Abwechslung: zwischen Städten, Regionen und Branchen zu wechseln, gehört zum Grundwesen des Interim Managements. In den vergangenen vier Jahren hatte ich fünf verschiedene Auftraggeber in fünf verschiedenen Branchen, mit einer Projektlaufzeit von sechs Wochen bis achtzehn Monaten und in 300 km bis 600 km Entfernung vom Heimstandort. Es ist anfangs eine Reise ins Ungewisse. Mir macht es Freude, neue Unternehmen und neue Menschen kennenzulernen und ich habe kontinuierlich die Chance in abwechslungsreichen, anspruchsvollen Aufgabenstellungen meine beruflichen Fähigkeiten weiter zu geben, aber auch immer noch zu erweitern.

Intensität: Es ist ein sehr intensives Arbeiten, denn Auftraggeber (Gesellschafter, Beiräte, Private Equity Firmen, Vorstände, Geschäftsführer) holen Interim Manager in der Regel in Sondersituationen (Kosten zu hoch, Umsatz zu niedrig, Projekte kommen nicht ins Laufen oder nicht zu Ende, …) oder im Rahmen von Unternehmensverkäufen. Wir brauchen eine sehr schnelle Auffassungsgabe, um uns in kurzer Zeit in die von Mandat zu Mandat wechselnden Aufgaben, Firmenkulturen, Branchen und Technologien einzuarbeiten. Man hat dafür jedoch nicht den „politischen Unternehmens-Stress“, der ja manchen Manager stärker belastet, als die fachlichen Aufgaben und Verantwortungen. Ich konzentriere mich immer auf die Sache und handle unpolitisch und uneitel. Wir stellen uns in den Dienst der Sache und müssen uns nicht profilieren. Die „Kollegen“ auf Führungsebene haben nach einer Eingewöhnungsphase von zwei Wochen meist auch keine Berührungsängste, da wir niemand den Job wegnehmen und stets im Sinne unseres Briefings und der Aufgabenstellung agieren. Im zu führenden Team begegnen mir die „Mitarbeiter“ mit Respekt und erkennen sehr schnell, dass Sie lernen können, zielgerichtet gecoacht werden und dadurch die gesamte Organisation wächst. Wir Interim Manager kommen, um zu gehen und kleben nicht an den Stühlen, auf die wir uns setzen. Als externer Mitarbeiter pflege ich immer auch eine klare, offene und unvoreingenommene Kommunikation. Das fördert die Erkenntnis und beschleunigt viele Prozesse.

Nachteile: als Interim Manager verzichtet man während der Woche auf das gewohnte Privatleben und den Freundeskreis, da man definitiv keinen nine-to-five-job hat und bei guter Auslastung auf über 200 Hotelübernachtungen pro Jahr kommt. Da man das Geschäft in der Regel als Einzelperson betreibt, gibt es auch kaum eine Chance zur Skalierbarkeit.

Was sind die typischen Einsatzgebiete?

Meine Aufträge kommen – wie beim Durchschnitt meiner Kollegen – vor allem aus den klassischen, mittelständisch geprägten Industriebranchen, also von Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus und von Automobilzulieferern. Dabei stehen Veränderungsprozesse und Projektaufgaben im Vordergrund. Der Einsatz als Spezialist – wie in meinem persönlichen Beispiel im B2B-Vertrieb – bringt das Fach-Know-how in die Organisation, das nicht an Bord ist. Die extern initiierten Veränderungen senken die Hemmschwelle der Mitarbeiter, brechen das Silodenken auf und lassen die „Festungsmentalität“ schwinden.

Wie sieht das Anforderungsprofil aus?

Der Interim Manager hat neben seiner fachlichen Spezialisierung eine breite Managementerfahrung. Die Schlüsselkompetenz ist das Changemanagement: 94% der Interim Manager haben Change-Erfahrung, bei fest angestellten Managern sind es hingegen nur 65%. Er hat ein umfangreiches Portfolio an geeigneten Instrumenten zur Hand und ist zudem der ideale Gesprächspartner für alle Mitglieder einer Firma. Er kann seine Erkenntnisse ungefiltert und ohne Eitelkeiten mit den Stakeholdern teilen. Er ist der Antreiber mit einer hohen Analysefähigkeit und Umsetzungsstärke. Er löst die anstehenden Aufgaben selbstständig, ohne eine Schar weiterer Hilfskräfte.

Worauf ist bei der Auswahl zu achten?

Für den Auftraggeber ist die Qualität der Management-Dienstleistung entscheidend. Beim Interim Manager muss es sich um einen resilienten, führungs- und umsetzungsstarken Spezialisten handeln, der über Jahrzehnte hinweg Erfolg in der gesuchten Disziplin hatte. Solche Profis können neben Interim-Providern, auch über Verbände gefunden werden. Ganz klar: ich spreche hier von den rund 9.000 Interim Managern als Führungskraft auf Direktorenebene oder C-Level, bzw. mit umfassender Projektleitungsfunktion und nicht von Projekt- oder Fachmitarbeitern. Mir ist jedoch aufgefallen, dass sich auch temporäre Fachkräfte mit unserer Berufsbezeichnung schmücken, obwohl diese z.B. als technischer Spezialist zur Unterstützung in einem Ingenieurbüro ohne Managementverantwortung eingesetzt werden. Gute Interim Manager findet man z.B. auch über die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management (DDIM). Die DDIM wählt neue Mitglieder nach einem strengen Auswahlverfahren aus, um einen hohen Qualitätsstandard zu gewährleisten.

Fazit: Interim Management ist eine Disziplin, die mir viel Spaß macht, mir die Chance gibt, mich leidenschaftlich einzubringen, aber auch viel Erfahrung und strikte Ergebnisorientierung verlangt. Der spezialisierte Interim Manager muss sich schließlich über eine klare Positionierung, kontinuierliche Weiterbildung und einen sauberen Selbstvertrieb im zukunftsträchtigen Markt behaupten.

Unternehmer sollten vorausschauend handeln und nicht dem Irrtum verfallen an Interim Management nur in schwierigen Zeiten oder Notsituationen zu denken, denn: „The best time to fix the roof is when the sun is shining“ (John F. Kennedy).

Über den Autor

Ralf H. KOMOR ist Interim Manager, Buchautor und absoluter B2B Salesprofi. Vom Konzern bis zum kleinen Mittelstand profitieren Auftraggeber von seiner 30-jährigen Erfahrung aus nationalen und internationalen Projekten. Er besitzt operative Führungserfahrung als Geschäftsführer, Geschäftsleitungsmitglied und Prokurist. Dabei war und ist er in erster Linie für produzierende Unternehmen, im Anlagenbau sowie im Projektgeschäft tätig. Im Laufe seiner Tätigkeit hat er Personalverantwortung für bis zu 850 Mitarbeiter und Umsatzverantwortung für bis zu 120 Mio. Euro übernommen. Er bringt sich leidenschaftlich in die Mandate ein und schätzt die Arbeit mit Menschen auf allen Ebenen aus dem Unternehmensumfeld. In der Branche ist er als Vollblut Vertriebler anerkannt und leitet die DDIM.fachgruppe „Vertrieb & Marketing“, in der sich ausgewiesene Fachleute aus dem Interim Management regelmäßig zu aktuellen Vertriebsthemen austauschen und kontinuierlich weiterbilden. Zuletzt engagierte er sich als Co-Autor für das Buchprojekt „Chefsache Interim Management“ , das im Springer Verlag erschien.

Dies ist das Manuskript für einen  XING-Beitrag, der demnächst erscheinen wird.